Eine gemeinsame europäische Sprache? Deckenmalerei und Raumkünste an den europäischen Höfen um 1700
13. 9. – 15. 9. 2018, Hannover-Herrenhausen
Program: Conntectin Accros Europe 2018
Eine Tagung
des Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland (CbDD) von Ludwig-Maximilians-Universität München und Bayerischer Akademie der Wissenschaften in Kooperation mit
der Landeshauptstadt Hannover, Herrenhäuser Gärten,
dem Institut für Kunst- und Musikhistorische Forschungen (IKM), Abteilung Kunstgeschichte, der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Research Group for Baroque Ceiling Painting in Central Europe (BCPE).
Deckenmalerei als Medium höfischer Selbstdarstellung um 1700
Das Corpus der barocken Wand- und Deckenmalerei betrachtet Wand- und Deckenmalerei als ein Medium. Im höfischen Kontext dienen beide den Landesherren ebenso wie beispielsweise Architektur oder Raumausstattung zur Selbstdarstellung gegenüber Standesgenossen.
Um 1700 ist in der Selbstdarstellung europäischer Höfe vor allem nördlich der Alpen ein formaler und inhaltlicher Wandel festzustellen. Im Bereich der Deckenmalerei etwa fällt auf, dass die Decke nun oft nicht mehr in einzelne Felder unterteilt, sondern in ihrer Gesamtheit mit einem Gemälde versehen wird. Das einzelne große Gemälde wird raumbeherrschend. Eine freie Monumentalität, große Maßstäbe und ein neuer Illusionismus werden wichtig. Die Kunst der Augentäuschung als hohe Kunstfertigkeit der barocken Deckenmalerei setzt sich durch. Das Deckenbild erlangt Autonomie und als Medium folgt sie oft einer eigenen Logik. Wand und Decke können nun auch einheitlich gestaltet werden. Der Wandel ist kein rein formaler, sondern auch ein inhaltlicher: Verherrlichungen und Personifikationen etwa erfolgen im nördlichen Europa nun auf eine zuvor nicht praktizierte Art und sind oft nicht mehr allgemein dynastisch ausgerichtet, sondern auf bestimmte Personen hin orientiert.
Unabhängig davon darf Deckenmalerei im europäischen Kontext weder als ausschließliche Fresko- oder Seccomalerei missverstanden, noch isoliert betrachtet werden. Die Entscheidung für Ölmalerei scheint lange Zeit nicht nur eine Frage der Qualität oder Zugriffsmöglichkeit auf Künstler gewesen zu sein, sondern auch eine Frage der Ästhetik. Zahlreiche Deckengemälde und noch mehr Wandmalereien werden vor allem in Mittel- und Nordeuropa auf Leinwand gemalt in Decke bzw. Wand eingepasst. Der Stuck spielt dann immer eine Rolle, scheint aber auch bei Fresken in Räumen höherrangiger Nutzung bevorzugt angebracht zu werden.
Mögliche Gründe für den Wandel der höfischen Inszenierung
Das Corpus der barocken Deckenmalerei möchte den beschriebenen Wandel mit den politischen Änderungen in Europa um 1700 verknüpfen. Dieser Wandel erfolgt zeitgleich mit einer neuen Machtstellung vieler Monarchen und ihrer Staaten. Die Herrscher sind um die Anerkennung ihrer neuen Stellung bestrebt. Zu nennen sind zum einen die zahlreichen Territorien und neuen Fürsten des Reiches, die ihre neu gewonnenen Souveränitätsrechte durchsetzen wollen, aber auch die Königreiche Schweden und England sowie der Hof der Oranier in den Niederlanden und später auch in England. Trotz antikatholischer Grundausrichtung verschwinden betont protestantische Motive; Muster, die bislang als katholisch wahrgenommen wurden, werden übernommen, und es bildet sich in Westeuropa eine supranationale überkonfessionelle Repräsentationsform des Adels und Hochadels heraus.
Es könnte der Fall sein – so eine zentrale These –, dass der Aufstieg von Dynastien und neuen Mächten ursächlich für den konstatierten Wandel ist. Zu nennen ist hier vor allem der Aufstieg der Bourbonen und des Hauses Savoyen sowie parallel dazu der Abstieg der spanischen Habsburger bis hin zu ihrem Aussterben. Davon unabhängig scheint aber der künstlerische Einfluss der Niederlande in Nordeuropa zurückzugehen und je nach politischem Lager durch einen französischen oder einen italienischen ersetzt zu werden – etwa in England oder Brandenburg-Preußen. Kunstimmanente Entwicklungen sind nicht außer Acht zu lassen.
Es scheint zumindest teilweise so zu sein, dass der Aufsteiger auftrumpft und der Etablierte sich zurückhält, bis sich neue Standards durchgesetzt haben. Zahlreiche neue Mächte versuchen sich zu etablieren: Preußen, Polen unter den Wettinern, Russland, Schweden, England, Frankreich, Savoyen sowie die Braganza in Portugal. Im Reich sind die zahlreichen neuen Fürsten zu nennen – auch in den österreichischen Erblanden –, aber auch die bayerischen und hannoverschen Kurfürsten.
Da die Innovationen in ganz Westeuropa greifen, handelt es sich vermutlich um einen kulturellen Angleichungsprozess. Da ist nun wichtig, wer die Maßstäbe setzt (und warum auf diese Art) und wer sich verweigert (und warum). Das Abweichen von Normen darf nicht zwingend als Provinzialität missverstanden werden. Es handelt sich eventuell um ein wohlkalkuliertes Instrument fürstlicher Machtausübung. Denn es geht um die Magnifizenz der Dynastien. Ein internationaler Vergleich verspricht hier neue Erkenntnisse.
Um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten, sollen nur die Landesherren und ihre Höfe betrachtet werden. Unter Landesherren werden alle Souveräne Europas und Herrscher über reichsunmittelbare Territorien im Reich verstanden. So gesehen gehören auch die Republiken von Genua und Venedig dazu. Es spielt darüber hinaus keine Rolle, ob die Bauten mit der Deckenmalerei im eigenen Territorium stehen oder etwa in Wien, Prag etc.
Veranstaltungsort
Die Tagung findet im Galeriegebäude von Hannover-Herrenhausen statt. Dieser Festbau der hannöverschen Kurfürsten stellt ein exemplarisches Beispiel für den Wandel in der Hofkultur um 1700 dar. Das heute verlorene Hauptgebäude sowie das erhaltene Galeriegebäude stammen vom Ende des 17. Jahrhunderts und wurden im Rahmen einer Standeserhöhung der Herzöge zu Kurfürsten erbaut und mit Malereien von Tommaso Giusti ausgestattet. Kurfürst Ernst Augst orientierte sich um 1690 an Italien und beauftragte mit dem Galeriegebäude ein komplett in der Art oberitalienischer Villen ausgemaltes Festgebäude. Sein Sohn Georg Ludwig, der als Georg I. 1714 den englischen Thron bestieg, ließ das Hauptgebäude des Herrenhäuser Schlosses nach dem Tod seines Vaters dann aber nicht nach italienischen Vorbildern neu erbauen. Vielmehr erfolgte im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts eine Instandsetzung, die eine konservative Haltung offenbarte und eine Ausstattung mit Wand und Deckenmalereien nach französischen und niederländischen Vorbildern bestätigte bzw. verstärkte. So haben wir es in Herrenhausen mit einem Nebeneinander der damals möglichen Modelle zu tun.
Weitgehend vergessen ist, dass der hannoversche Hof um 1700 ein kultureller Mittelpunkt in der höfischen Welt Europas war und eng vernetzt bzw. verwandt war mit den wichtigsten Dynastien Mittel- und Nordeuropas sowie dem Kaiserhaus. Hannover liegt um 1700 im Schnittpunkt der europäischen Mächte und ihrer Repräsentationsstrategien und der Tagungsort selbst wird auch Gegenstand der Betrachtung sein.
Mögliche Themen
Die Tagung will zum einen, von Einzelbeispielen im Detail ausgehend, eine europäische Perspektive gewinnen und Analogien in Großform erkennen. Andererseits sind auch Überblicksbeiträge erwünscht, die Rückschlüsse auf Einzelphänomene zulassen. Was wollte der Auftraggeber erreichen, warum wurde genau diese Lösung gewählt und keine andere? Waren diese Lösungen angemessen, wurden sie akzeptiert?
Erwünscht sind Beiträge aus und zu höfischen Objekten in ganz Europa, aus dem profanen Bereich genauso wie aus dem sakralen. Geklärt werden soll, ob und wann man sich mit welcher Absicht italienische und/oder französische Künstler an den Hof holte oder eigene Künstler zur Ausbildung gezielt nach Italien oder Frankreich schickte oder eben gerade nicht. Trotz französischer Dominanz in vielen Bereichen höfischer Kultur um 1700 betrifft dies kaum die Deckenmalerei. Lassen sich dafür Gründe ausmachen?
Erwünscht sind Beiträge mit folgenden Fragestellungen, aber auch andere Schwerpunkte sind möglich.
- Dynastische Fragestellungen. Lassen sich spezifische Darstellungsmuster bestimmten Dynastien zuordnen, gibt es einen Wandel, spielen Heiratsverbindungen eine Rolle?
- Konfessionelle Fragestellungen. Spielt die Konfession eine Rolle, etwa bei der Darstellung des Himmels in dem Sinne, dass bei Altgläubigen ein Blick in die Göttlichkeit erfolgte, bei Protestanten ein Abbild der Göttlichkeit? Folgen Bildstrategien konfessionellen Mustern oder nur Moden? Zugespitzt gefragt: Kann man zwischen einer höfisch-katholischen und einer höfisch-protestantischen Kultur der Deckenmalerei im profanen Bereich unterscheiden?
- Ikonografische und ikonologische Fragestellungen. Hier sind Vergleiche denkbar, etwa von Aeneas-Darstellungen, von Phaetonstürzen, Apotheosen oder von Personen und Dynastien, von Personifikationen und Allegorien von Jahreszeiten, Elementen etc., und zwar in einem überkonfessionellen bzw. übernationalen Rahmen.
Wissenschaftliche Leitung
Prof. Dr. Stephan Hoppe, Dr. Herbert Karner, Dr. Heiko Laß
Formalitäten
Die Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch. Die Vorträge sollen 25 Minuten nicht überschreiten. Vorschläge von nicht mehr als 1 Seite bitte bis 23. 12. 2017 an
Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland
Dr. Heiko Laß
Institut für Kunstgeschichte
Ludwig-Maximilians-Universität München
Zentnerstr. 31
D-80798 München
E-mail: heiko.lass@kunstgeschichte.uni-muenchen.de
Connecting across Europe? Ceiling Painting and Interior Design in the Courts of Europe around 1700
Place: Hannover-Herrenhausen
Time: Sept. 13–15, 2018
Program: Conntectin Accros Europe 2018
International Symposium organized by
The Corpus of Baroque Ceiling Painting in Germany (CbDD) from Ludwig-Maximilians-Universität in Munich and Bavarian Academy of Sciences and Humanities in cooperation with
Institute of History of Art and Musicology – IKM of the Austrian Academy of Sciences (ÖAW),
Landeshauptstadt Hannover, Herrenhäuser Gärten, and
The Research Group for Baroque Ceiling Painting in Central Europe (BCPCE)
Mural Painting as a medium of social distinction of European courts around 1700
The „Corpus of Baroque Ceiling Painting in Germany“ (CbDD) regards painting on walls and ceilings as a medium. In a courtly context, mural painting would serve the sovereign to define his status within the court society, just as he did otherwise in the fields of architecture or interior design.
Around 1700, a formal and thematic change can be observed in the choice of these media of social distinction, especially at the courts North of the Alps. In the field of mural painting it is striking in which way the ceiling is now no longer divided into multiple fields, but preferably dominated by one single monumental painting. This way mural painting can define the room. Monumentality resides in scale, and a new form of illusionism becomes important. The “inganno degli occhi”, a highly sophisticated form of illusionism prevails. Mural painting on ceiling gains autonomy and as a medium it follows its own logic. Furthermore, walls and ceiling can now be integrated into one integrating decorative scheme. This change is not just a matter of form, but also a matter of content: Glorifications and personifications are no longer represented in the old-established way and subject to dynastic formulas but become more and more individualized and tailored for a specific patron.
Moreover, within the larger European context, mural painting should not be misunderstood as exclusively made in fresco or secco technique, or studied in isolation. The decision for oil painting on canvas or on walls seems for a longer period of time not only to have been a question of quality or of the possibility to hire a specialist, but also a question of esthetics. A large part of the painting on ceilings and especially on walls in Central- and Northern Europe have been painted on canvas and were adjusted on the ceilings and walls. Stucco does also play an important role here, and seems to have been applied also in rooms of „higher rank“.
Possible reasons for the change in interior decoration
The „Corpus of Baroque Ceiling painting in Germany“ (CbDD) wants to connect the described transformation in the field of mural painting with the political changes in Europe around 1700. This shift of focus occurs parallel to a new position of power established by the monarchs and their states. The sovereigns are now striving for an acknowledgment of their newly achieved status. Numerous territories and new princes within the Holy Roman Empire want to effect their new rights of sovereignty, just as the kingdoms of Sweden and England or the court of the House of Orange in the Netherlands and, later, in England. Despite their basically anti-catholic orientation, motifs once established to mark protestant ideals, vanish, and patterns, before decidedly perceived as catholic, are taken over, and new forms of a supranational and trans-confessional court culture of the nobility and the higher nobility develop in Western Europe.
It could be the case – so a central thesis – that the rise of new dynasties and powers was responsible for the developments described above. The rise of the house of Bourbon and the house of Savoy and the descent of the Spanish Habsburgs to their extinction – re the most striking examples. An independent trend seems to be the decline of artistic influence from the Netherlands in Northern Europe, giving way to anew influx of aesthetic ideas from France and Italy, depending on political alliances, as for example in England or in Brandenburg-Prussia.
It seems to be at least partially a fact, that the rising powers emphasize their new status while the old-established elites restrain themselves until new standards have had their break-through. Several of these new powers try to establish themselves in this way: Prussia, Poland under the house of Wettin, Russia, Sweden, England, France, Savoy and the house Braganza in Portugal. Within the Holy Roman Empire, as well as in the heritary lands of the house of Habsburg in Austria, several new princes can be named, but also the Elector of Bavaria and the Elector of Hannover.
Since these innovations take hold of Western Europe in general, we may consider them as part of a more general cultural adjustment process. It is therefore important to discuss, who set these new benchmarks (and why in this way) and who refused or opposed (and why). The deviation from the norms should not necessarily be misinterpreted as provinciality. It may eventually be a well-calculated instrument of princely authority. For it is the magnificence of the dynasties that it is all about. Here, an international comparison promises new insights.
In order to secure comparability, studies should focus exclusively on sovereigns and their courts. A “Landesherr“ or sovereign is an independent ruler in Europe or within the territories belonging to the Holy Roman Empire of German Nation, ruled and governed by a monarch or sovereign, therefore also including the republics of Genova and Venice. Furthermore, it makes no difference, whether the buildings decorated with mural painting were set on their own territories or in other residential cities or estates, for example in Vienna or in Prague.
The Location of the Symposium
The Conference will take place at the so-called Galeriegebäude in Hannover-Herrenhausen. This festive building for the Electors of Hannover is an outstanding example for the change in court culture around 1700. The lost main building as well as the preserved Gallery-building, originally the Orangerie, were erected towards the end of the 17th century in the course of a rise in status and decorated with mural paintings by Tommaso Giusti. Around, Elector Ernst August of Hannover took a bearing on Italy and commissioned a festive building entirely decorated with mural painting inside in the manner of country houses in Northern Italy or a Villa in the Veneto. His son Georg Ludwig, who in 1714 was to climb the throne of England as king Georg I, did not decide to have the main building of the residential palace of Herrenhausen erected in Italian forms after the death of his father. Instead, he choose to preserve the Gallery-building in the first decade of the 18th century, showing a more conservative attitude, reinforced a painted decoration on walls and ceilings after models from the Netherlands and France. In Herrenhausen we may therefore study two different role models side by side.
It is not widely known, that the court of Hannover was around 1700 a cultural center within the courtly world of Europe, well-connected and related with the most eminent dynasties in Central- and Northern Europe, as well as with the Imperial house of Habsburg. Around 1700, Hannover takes its place at the intersection of European powers and their strategies of visual representation; and the location of the conference itself will also be the subject of discussion.
Subjects for Conference Papers
The conference aims at taking a look at mural painting at European courts around 1700 in the form of detailed case studies and to put them in a wider European setting in order to identify analogies and differences. On the other hand, general surveys are most welcome which undertake the effort to put singular phenomena into a bigger picture. What did the patron want to achieve and why was this solution chosen and not another one? Where these solutions appropriate, and have they been accepted? How were they received?
We are looking forward to papers on courtly objects from across Europe, secular as well as sacred. The discussion should focus on the question at what times and in which cases artists from Italy or France were hired by the respective court, whether or not local artists were sent abroad for study to Italy or France. In spite of the dominant influence of French court art and culture all over Europe, this seems not the case in the field of mural painting. What are the reasons?
Papers may focus on the following questions, and related subjects:
- Dynastic connections: Are there specific patterns of representation which could be related to dynastic connections? Have dynastic marriages any impact on the choice of decorative schemes?
- The impact of Confessions: Does the confession play a role in mural painting, for example in the representation of heaven: Did Catholics prefer to take a look into godliness, while Protestants depicted an image of divinity? In which way do pictorial strategies follow confessional patterns or are they just following a fashion?
- Iconographical and iconological Questions: What can we learn from a comparison of scenes from mythology, literature, personal and dynasty-related subjects, such as cycles from the Life of Eneas, the Fall of Phaeton, the apotheosis of an individual or a dynasty, personifications and allegories of the four seasons or the elements ecc., discussed from a transnational and trans-confessional point of view?
Project directed by
Prof. Dr. Stephan Hoppe, Dr. Herbert Karner, Dr. Heiko Laß
How to apply:
Presentations are welcome in German or English, and should not exceed the time frame of 25 minutes. Suggestions from no more than 1 page please send until Dec. 23, 2017 to:
Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland
Dr. Heiko Laß
Institut für Kunstgeschichte
Ludwig-Maximilians-Universität München
Zentnerstr. 31
D-80798 München
E-mail: heiko.lass@kunstgeschichte.uni-muenchen.de